Die schlesische Milliarde

IV. Das Schutzgeld

Seit einiger Zeit haben wir uns mit den gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen der preußischen Ostprovinzen, insbesondere Schlesiens, beschäftigt.

Es ist auseinandergesetzt worden, welche enorme Summen die schlesische Raubritterschaft durch direkte und indirekte Prellerei aus ihren Dorf»untertanen« herausgepreßt hat und daß, wenn von »Entschädigung« die Rede sein soll, nur das Landvolk das Recht hat, sie zu beanspruchen. Wir zeigten, daß die Herren Ritter wohlgetan hätten, das Wort »Entschädigung« nach dem März 1848 in tiefster Brust zu versenken, um nicht einen nervenerschütternden Gegenruf des »kleinen Mannes« heraufzubeschwören. Aus einer noch brüderlichen Rechnung ergab sich, daß allein das schlesische Landvolk, und lediglich für die letzten dreißig Jahre, zirka 280 Millionen Taler - eine französische Milliarde - und einige raubritterliche Allotria noch hinzugenommen, ungefähr 300 Millionen preußische Taler von den wieder so entschädigungslüstern gewordenen Feudalherren zurückzufordern hat.

Was von den raubritterlichen Zuständen Schlesiens gesagt worden, gilt teils in gleichem, teils in etwas geringerem Maße von ganz Deutschland, mit Ausnahme der Rheinlande, in denen die erste französische Revolution den ganzen Feudalmist gründlich hinwegfegte, mit Ausnahme eines Teils des rechten Rheinufers, namentlich der Gerichtsbezirke von Ehrenbreitstein und die Gegend nördlich von der Ruhr.

Indem wir also von Schlesien sprachen und von den glänzenden Geschäften der dortigen Ritterschaft unter der Firma und dem Schutz »von Gottes Gnaden« auf Kosten des Landmanns, so spiegelt sich darin getreu jeder andre Teil Deutschlands, in welchem das Volk unter dem Alp des Mittelalters, der Zehnten, Fronden, gutsherrlichen Zinsen usw. bisher geseufzt hat oder noch seufzt. Handelt es sich dagegen um das durch die moderne Industrie erzeugte Proletariat und dessen irische Lage, um die Aussaugung des Volks durch das bürgerliche Kapital, durch christliche und jüdische Fabrikherren und Finanzbarone, so bietet Schlesien wiederum mehr als hinreichendes Material.

Auf dem platten Lande schleppt der mittelalterliche und moderne Raubritter, der Feudalherr mit sechzehn Ahnen wie der Bourgeois mit seinem Kapital, zu gleicher Zeit soviel fette Beute hinweg, als den Herren nur möglich ist, und bis wohin diese Möglichkeit geht oder vielmehr bisher gegangen ist, haben wir nach der einen Seite hin in den frühern Artikeln dargetan. Feudalherr und Finanzbaron wachsen und gedeihen nicht bloß separat nebeneinander im Blut und Schweiß des Volks, sondern Feudalherr und Finanzbaron bilden sehr oft, wie das ebenfalls schon erwähnt worden, eine und dieselbe Person. Obgleich nun fast überall nebeneinander geübt, ist doch in dem einen Ort oder Distrikt mehr die feudale, in einem andern die moderne, die Bourgeois-Raubritterei, vorherrschend.

Später werden wir die Segnungen der letztern beleuchten. Hier wollen wir noch einige Annehmlichkeiten der Dominialvergnügten, Proben von »wohlerworbnen Rechten« spezieller ins Auge fassen.

Zu jenen Annehmlichkeiten gehört das Schutzgeld.

Zum Verständnis dieser prachtvollen
christlich-germanischen Abgabe einige Worte.

Wie der »gnädige« Gutsherr den possessionierten Landmann, vom Bauer mit zwei und mehr Hufen bis zum Freigärtner, Frei- und Auenhäusler mittelst Grundzins, Wächtergeld, Spinngeld, Eiergeld, Besengeld, Hühnerzins, Garnzins, Wachszins, Bienenzins, Haferzins, Robotdienste, Laudemien, Marktgroschen usw. usw. usw. auszuquetschen wußte, das haben wir bei der Berechnung der schlesischen Milliarde gesehn.

Nun gab und gibt es aber eine zahlreiche Klasse, die weder bei den »gnädigen« Herren als Knechte, Mägde usw. in Dienst steht noch ein Haus, auch nicht einmal ein Häuschen, die auch keinen Acker, selbst nicht einen Quadratfuß Landes besitzt. Es ist dies die Klasse der Inlieger, der Zuhausinnewohner, der Inwohner kurzweg, Leute, die bei Bauern, Gärtnern, Häuslern eine Stube, meist ein Hundeloch, für 4 bis 6 bis 8 Taler jährlich gemietet haben. Entweder sind's Auszügler, das heißt Personen, welche die Wirtschaft ihren Kindern übergeben oder an Fremde verkauft und sich in das zum Haus gehörige oder gar darin befindliche Stübchen mit oder ohne »Ausgedinge« zur Ruhe gesetzt haben, oder - und diese bilden die Mehrzahl - es sind arme Taglöhner, Dorfhandwerker, Weber, Grubenarbeiter usw.

Sie alle haben kein Haus und keinen Acker und keinen Kaufbrief, in den doch die »gnädigen« Herren im vorigen wie in diesem Jahrhundert unter Beihilfe freundlicher Justitiarien oder Patrimonialrichter gutsherrliche Abgaben einzuschmuggeln wußten, für die sie nicht einmal ein sogenanntes raubritterliches Recht aufzuweisen vermochten. Da wurde Laudemienzwang hineingebracht, wo sonst keiner bestanden, da wußte die gottbegnadete Raubgier Fronden und Silberzinse zu erhöhen oder neue zu schaffen, daß es eine Lust war, die so vermehrte Dominialvergnügtheit mit anzuschaun. Durch solche Zuchthausmanöver kamen dann nach einigen Jahren ganz niedliche »wohlerworbne (!!) Rechte« zustande.

Aber wie den Inliegern ankommen? Sollte dieser zahlreiche Teil der ländlichen Bevölkerung von den feinen Händen schlesischer Landpiraten ganz unberupft bleiben? Nimmermehr! Man würde jene gottbegnadete Sippschaft äußerst mißkennen, wollte man voraussetzen, sie habe kein Mittel gefunden, um auch den Inliegern soviel Wolle abzuscheren als nur immer tunlich. Was sie ersann und ausführte, das geschah im Interesse und unter Gutheißung des Königs, der Prinzen, der Minister usw., die, alle selbst Rittergutsbesitzer, von jeder Schinderei, die gegen den oder jenen Teil des Landvolks ausgeübt wurde, ebenfalls ihren Anteil zogen und ihren Geldbeutel damit füllten.

Möge das Landvolk, wenn es sich über seine bisherigen Leiden Rechenschaft geben will, nie vergessen, daß zu seinem Nachteil alles, vom König bis zum untersten Patrimonialvergnügten hinab, durch ein und dasselbe Interesse zu einem Knäuel verschlungen war und noch ist, der fester zusammenhält als jene Knäuel von Schlangen oder Ottern, die sich im Frühling zur Zeit der Begattung ineinanderschlingen und unter dem Namen »Schlangenkönige« beim Volk bekannt sind.

Der raubritterliche »Schlangenkönig« ringte sich um die Inlieger und forderte drohend - Schutzgeld oder, wie die vornehmere Benennung lautet - Jurisdiktionsgeld.

Die Patrimonialgerichtsbarkeit mußte hier den Vorwand zum Raube an den Ärmsten unter den Armen bilden. Jene Gerichtsbarkeit bringt es mit sich, daß der gnädige Gutsherr die Kosten tragen muß, wenn einer seiner Dorf»untertanen« wegen eines Vergehens oder Verbrechens zur Untersuchung und weiterhin ins Korrektions- oder Zuchthaus kommt. Dafür fallen auch alle Sporteln der Patrimonialgerichtsbarkeit in die Kasse des Gnädigen, wobei wir von den Silberzinsen, den Robotdiensten und Naturallieferungen der possessionierten Wirte wie von der ungeheuren Bevorzugung der Herren bei Zahlung der Grund- und Klassensteuer, der Kreis- und Gemeindebeiträge usw. ganz absehn.

Wer ein Haus allein oder mit Acker besitzt und wegen eines Vergehns oder Verbrechens in Untersuchung und zur Verurteilung kommt, der zahlt die Kosten selbst; sein Eigentum wird nötigenfalls subhastiert.

Beim Inlieger soll im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Gutsherr für die Kriminalkosten aufkommen.

Um sich angeblich nach dieser Seite hin sicherzustellen, wurde eben das Schutzgeld erfunden und von den Inliegern erhoben. Einige der gnädigen Herren begnügten sich mit einem Taler jährlich, andre erhoben 1 1/2 Taler und noch andre trieben die Unverschämtheit so weit, 2 Taler jährlich diesem Teil des ländlichen Proletariats abzuverlangen. Mit diesem Blutgeld spielte und hurte es sich dann desto besser in der Hauptstadt und in den Bädern.

Wo durchaus kein bares Geld herauszupressen war, da verwandelte der gnädige Herr oder sein Amtmann das Schutzgeld in sechs, zehn bis zwölf unentgeltliche Hofetage. Bargeld lacht! Wenn daher der Inlieger nicht zahlen konnte, so wurde ihm gewöhnlich der Exekutor auf den Hals geschickt, der ihm die letzten Lumpen, das letzte Stück Bett, Tisch und Stuhl wegnehmen mußte. Einige wenige unter den gnädigen Herren enthielten sich der Barbarei und forderten kein Schutzgeld, aber nicht, weil es ein angemaßtes Recht war, sondern weil sie in patriarchalischer Milde keinen Gebrauch von diesem angeblichen Recht machen wollten.

So ist denn bis auf wenige Ausnahmen der Inlieger zugunsten des gutsherrlichen Beutels jahraus, jahrein schändlich geplündert worden. Der arme Weber zum Beispiel, den der Fabrikant auf der einen Seite aussaugte, mußte auf der andern bei einem Verdienst von 3 bis 4 Silbergroschen täglich bei 1/2 Taler Klassensteuer an den Staat, bei Abgaben an Schule, Kirche und Gemeinde auch noch dem gnädigen Herrn 1 bis 2 Taler jährlich Schutzgeld, das recht eigentlich Blutgeld zu nennen ist, entrichten. So der Bergmann, so mit einem Wort alle übrigen Inlieger.

Welchen Vorteil hat er, der Inlieger, davon?

Daß, wenn er durch Not, Elend und Roheit zum Stehlen oder andern Verbrechen getrieben und zur Strafe gezogen wird, er mit dem frohen Bewußtsein im Zucht- oder Korrektionshause sitzen kann, daß er und die Klasse der Inlieger, der er angehört, die Gefängniskosten dem gutsherrlichen Beutel schon hundertfach vorausbezahlt hat. Der Gutsherr hat daher ein direktes Interesse, nicht etwa Verbrechen zu verhindern, sondern nicht zur Untersuchung gelangen zu lassen. Die gutsherrliche Polizeipraxis in Schlesien weiß davon zu erzählen.

Der Inlieger, der das Schutzgeld - nehmen wir's durchschnittlich zu 1 1/3 Taler jährlich - dreißig Jahre lang gezahlt und nicht ins Zuchthaus kommt, hat dem gutsherrlichen Beutel, von Zins und Zinseszinsen abgesehen, 40 Taler bar hinwerfen müssen. Dafür verzinst der Herr ein bei der Landschaft aufgenommenes Kapital von mehr als 1000 Talern.

Welch ergiebige Quelle die Herren Raubritter im Schutzgelde fanden, ergibt sich aus der Tatsache, daß in den meisten Dörfern ebensoviel, oft noch mehr Inlieger als Wirte sind.

Wir erinnern uns eines der kleinsten Raubritter, der drei Dominien besaß und von den in seinen drei Dörfern befindlichen Inliegern jährlich 240 Taler Schutzgeld erpreßte, womit er ein landschaftliches Kapital von zirka 6000 Talern verzinste.

Bedarf es noch weiteren Zeugnisses für die christlichgermanischen Segnungen? Kann die gottbegnadete Frechheit weiter getrieben werden, als wenn der arme Taglöhner mit 60 bis 80 Talern jährlichen Verdienstes für seine meist zahlreiche Familie den Raubritter noch jährlich mit 1 bis 2 Taler Schutzgeld weiter mästen zu helfen gezwungen wird?

Nicht zu vergessen, die das Schutzgeld zahlen, müssen, obgleich armselige Teufel, ihre Kinder auf eigene Kosten erziehen, für eigenes Geld in die Schule schicken usw. Jene Herren aber, die das Schutzgeld erpressen und empfangen und die außerdem jährlich Tausende einnehmen, erhalten zum Teil noch vom peußischen Könige aus den Steuern des niedergedrückten, zertretenen Volkes »Erziehungsgelder«. Wer das noch nicht wissen sollte, der lese das nach, was die betreffende Kommission der im vorigen Jahr auseinandergejagten Vereinbarer aus den Staatsrechnungen darüber ans Tageslicht gezogen hat.

Nicht umsonst sind die Herren Raubritter für die Staatsstreiche im November und Dezember vorigen Jahres, für die oktroyierte Verfassung, für zwei Kammern, von denen die Erste ihnen stets gesichert ist, und für das Königtum »von Gottes Gnaden« mit allen wohlbekannten Anhängseln so sehr begeistert. Sie wissen sehr gut, weshalb sie's sind. In ihrem beutegierigen Geldsack sprudelt recht eigentlich die Quelle ihres Enthusiasmus.

Ist nicht zum Beispiel der Präsident des jetzigen Belagerungs-Ministeriums, Herr Brandenburg, auch einer von denen, welche direkt bei der Erhaltung des christlich-germanischen Raubsystems beteiligt sind? Dieser Mann, der jährlich 30 000 bis 40 000 Taler Einkünfte hatte, dem in Breslau auf Kosten des steuerzahlenden Volkes ein Palast erbaut und dahinein bloß aus Berlin für 40 000 Taler Möbel dito auf Kosten des Volks beschafft wurden - dieser selbe Mann hatte noch lange nicht genug. Als »gnädiger« Herr der Herrschaft Domanze unweit des Zobtenberges hat er keinen Augenblick angestanden, die Inlieger in seinen Dörfern ebenfalls zur Zahlung des Schutzgeldes zu zwingen. Von ausgehungerten armen Taglöhnern, die für ihre Kinder nicht genügend Kartoffeln, geschweige denn Brot, erschwingen konnten, bezog dieser Mann »Schutzgeld«, während er für die Erziehung seiner Kinder, wie wir das in betreff früherer Jahre bestimmt wissen, jährlich noch 800 Taler sogenannte Erziehungsgelder bekam, und wir schließen mit der Frage, ob der oktroyierte Ministerpräsident in Berlin bei seinem nicht unbedeutenden Privatvermögen und seinem enormen Gehalt auch jetzt noch jenes jährliche Almosen von 800 Talern, wovon zehn seiner ihm Schutzgeld zahlenden Inlieger mit Weib und Kind auskommen könnten, fortbezieht oder nicht?

Eine der Annehmlichkeiten des schlesischen Raubrittertums - das Schutzgeld - ist bereits beleuchtet, aber noch nicht erschöpft worden. Es bedarf hierzu noch einiger Nachträge.

Wie wir gesehen, preßten die gottbegnadeten Ritter unter dem Verwande, sich pränumerando Deckung für etwaige Kriminalkosten zu verschaffen, aus den Inliegern, dem ärmsten Teile der ländlichen Bevölkerung, eine Steuer aus, deren Höhe in Betracht des jährlichen Verdienstes der Inlieger als wahrhaft enorm und im Vergleich zu den Abgaben des gnädigen Herrn an den Staat als eine der schamlosesten Plündereien, selbst unter den vielen ähnlichen Segnungen der christlich-germanischen Sonne, bezeichnet werden muß.

Schutzgeld heißt diese Steuer, weil der Arme dafür eventuell den Schutz genießt, ins Zucht- oder Korrektionshaus aufgenommen zu werden, ohne dafür bezahlen zu dürfen. Schutz in einem andern Sinne gewährt dieses Blutgeld freilich den gutsherrlichen Geldbeuteln; es hilft, sie in Verbindung mit allen übrigen Feudalabgaben und Leistungen des Landmanns vor Ebbe schützen oder die eingetretene wieder ausfüllen.

Mit Recht fragt sich der arme Inlieger, der mit seiner ganzen Familie von einem Jahresverdienst von 60 bis 80 Taler leben und davon 1/2 Taler Klassensteuer an den Staat und 1 bis 2 Taler Schutzgeld in die Tasche des gnädigen Herrn entrichten muß, wieviel denn letzterer jährlich zu zahlen hätte, wenn auch von dessen Einkommen bloß die gleichen Prozente erhoben würden? Der Herr Ritter würde dabei kaum einen merklichen Abbruch an seiner Mästung verspüren. Denn von 10 000, 50 000, 100 000 Talern usw. jährlichem Einkommen könnte er immerhin jährlich respektive 166 2/3, 831 1/3, 1666 2/3 Taler Schutzgeld seinerseits entrichten, ohne daß irgendeins seiner Dominialvergnügen merklich beeinträchtigt würde, während eine Familie bei 60 bis 80 Taler jährlichem Einkommen schon die Abgabe eines Groschens empfindet und dafür Notwendiges entbehrt.

Allein der Herr Ritter zahlt seinerseits nicht bloß kein Schutzgeld, sondern empfängt, vom Schutzgelde des Inliegers ganz abgesehen, noch aus den Staatskassen Schutz und Geld. Eine große Anzahl dieser gnädigen Herren zieren anfänglich »Mein herrliches Kriegsheer«, nehmen dann in den besten Jahren Abschied mit anmutiger Pension, schlagen diese zum Einkommen aus ihren Rittergütern, erhalten nebstdem zur Erziehung der gnädigen Fräulein Töchter, sofern diese nicht etwa in ein adliges Stift getan werden, »Erziehungsgelder« aus den Steuern des armen Volkes; und was den männlichen Nachwuchs betrifft, so wird er frühzeitig in die Kadettenanstalten getan und ebenfalls auf Kosten des Volkes - und mit welchen Kosten! - erzogen. Ein anderer Teil der Patrimonialherren steht im Zivildienste des Staates oder hat sich ebenfalls mit Pension zurückgezogen und genießt im übrigen derselben Vorsorge von oben herab.

Naive Leute werden nach alledem vielleicht glauben, daß die Herren Ritter nun auch wirklich etwa entstehende Kriminalkosten aus ihren pränumerando gefüllten Beuteln bezahlen? Solch naiver Glaube wird an der ritterlichen Spekulation völlig zuschanden. Es sind uns aus den zwanziger wie aus spätern Jahren her eine Menge Fälle bekannt, wo die ritterliche Unverschämtheit nicht bloß jährlich von den Inliegern das Schutzgeld erhob, sondern bei entstehenden Untersuchungs- und Gefängniskosten die geliebten Dorfinsassen zur Tragung teils von 1/8, teils von 1/2 ja, in mehreren Dörfern von 2/3 der Kosten zu zwingen wußte.

Konnten denn die Dorfinsassen nicht Einsprache tun? Gewiß. Nur schade, daß ihnen dies nichts half. Hier Raubritter, dort Raubritter oder Leute, die in ihrem Interesse wirkten, konnte da den Gemeinden etwas anderes passieren, als, nach dem beliebten Preußenausdruck, ab- und zur Ruhe verwiesen zu werden?

Es blieb der Weg des Prozesses übrig. Aber beim Himmel! wer das altpreußische Rechtsverfahren, den altpreußischen Richterstand - diese ärgste aller jemals auf der Welt gewesenen Land- und Volksplagen - mit dem Landrecht und den hinter ihm aufgehäuften Hunderttausenden von Verordnungen, Deklarationen, Reskripten usw. auch nur einmal in der Nähe gesehn und beobachtet hat, der wird überzeugt sein, daß eine Gemeinde der Verzweiflung schon sehr nahe sein mußte, ehe sie zu solchem Wagstück sich entschloß.

Genug, die spekulativsten unter der schlesischen Ritterschaft zwangen die Gemeinden zum Mittragen jener Kosten, und so hatte der Inlieger außer dem Schutzgeld jetzt noch einmal unter der Rubrik »Gemeindeausgaben« für den raubritterlichen Herrn Schutz- oder Jurisdiktionsgeld zu entrichten.

Bei der Frage, wieviel das schlesische Landvolk von seinen Raubrittern zurückzufordern, wieviel es an »Entschädigung« für erlittne Prellerei und Plünderung bloß in den letzten dreißig Jahren zu beanspruchen hat, ist demnach, wie wir gesehn, jene zahlreiche Klasse des ländlichen Proletariats - die Klasse der Inlieger - sehr stark beteiligt. Das bloß in den letzten dreißig Jahren an die Raubritter gezahlte Schluzgeld bildet in der schlesischen Milliarde ein Item von vielen Millionen.

Bisher war die ländliche Bevölkerung in ihren Interessen getrennt. Die einen hatten sich abgelöst und kümmerten sich wenig um die, welche noch roboten mußten; der Hofegärtner des einen Dorfes fragte wenig nach dem Schicksal des Hofegärtners in einem andern; der große und wohlhabende Bauer trug kein Mitleid mit dem Inlieger, der unter der Last des Schutzgeldes seufzte, usw. Die Trennung wurde von der Ritterschaft und der Beamtenwelt gern gesehn und befördert.

Die aufs neue erwachte Beutegier der Raubritterschaft, die im Jahr 1849 nach »Entschädigung« für »wohlerworbne Rechte« umherbrüllt, als wenn's kein Jahr 1848 gegeben und als wenn auf den Augen des Landmanns noch die alten Schuppen lägen, die er doch bei der ersten Entfesselung seiner Hände wenigstens teilweise entfernte, dieses ritterliche Entschädigungsgebrüll hat der Trennung des Landvolks nach verschiednen Interessen und Klassen gegenüber den gutsherrlichen Verhältnissen ein Ende gemacht.

Das Landvolk hat jetzt gemeinsames Interesse: Rückforderung des ritterlichen Raubes, Entschädigung für das, was aus dem bäuerlichen Beutel in den gutsherrlichen hinübergepreßt, wie für das, was von den Herren Rittern an Klassen-, Grund- und an andern Steuern und Abgaben entweder gar nicht oder zuwenig entrichtet worden ist. Künftighin wird das schlesische Landvolk durch das ganze Land nur eine Fahne schwingen, und auf ihr wird stehn:

»Volle Entschädigung für die raubritterlichen Prellereien der letzten dreißig Jahre;

Rückzahlung der 300 Millionen aus den gottbegnadeten Geldsäcken der hohen und niedern Raubritterschaft.«