Jak rozpadla sie Jugoslawia


Wg. artykulu Michela Chossudovsky, Uniwersytet Ottawa ( Fragmente )

 

Die seit Beginn der achtziger Jahre durchgesetzten Reformen, diktiert von ausländischen Kreditoren, chaotisierten Wirtschaft und Politik des Landes, führten zur Zerstörung des industriellen Sektors und bauten Stück für Stück das Sozialsystem des Landes ab. Trotz Belgrads politischer Neutralität und seiner ausgedehnten Handelsbeziehungen zu den USA und der EU hatte die Reagan- Administration die jugoslawische Wirtschaft in einer Geheimdirektive von 1984 (National Security Decision Directive/ NSDD 133) ins Visier genommen. Ihr Titel lautete schlicht: »Die Politik der USA in bezug auf Jugoslawien«. Eine zensierte Version dieses Dokuments, die 1990 der Öffentlichkeit preisgegeben wurde, stimmte im wesentlichen mit einer früheren Direktive über Osteuropa von 1982 überein (NSDD 54). Sie forderte unter anderem fortgesetzte Anstrengungen zur Entfachung von »stillen Revolutionen« mit dem Ziel der Überwindung kommunistischer Regierungen und Parteien, während die Länder Osteuropas wieder dem Wirkungskreis des Weltmarktes unterworfen werden sollten.

Separatistische Tendenzen, die sich auf ethnische und soziale Unterschiede stützten, gewannen genau während einer Phase brutaler Verarmung unter der jugoslawischen Bevölkerung an Gewicht. Die erste Phase makroökonomischer Reformen, die kurz vor dem Tod Marschall Titos im Jahr 1980 initiiert wurde, »hatte politisch und ökonomisch gesehen desaströse Auswirkungen. Langsameres Wirtschaftswachstum, das Anwachsen der Auslandsschulden und insbesondere der Zinsbelastung, begleitet von einer Inflation, brachten den Lebensstandard des durchschnittlichen Jugoslawen zu einem erdrutschartigen Absinken. (...) Die Wirtschaftskrise bedrohte die politische Stabilität (...). Sie führte auch zu einer Verstärkung untergründiger ethnischer Spannungen.« Diese Reformen, die von Umschuldungsverträgen mit den staatlichen und kommerziellen Kreditoren des Landes begleitet wurden, dienten gleichermaßen einer Schwächung des jugoslawischen Bundesstaats und führten zu politischen Spannungen zwischen der Hauptstadt Belgrad und den Regierungen der Teilrepubliken und der autonomen Provinzen.

»Der Premierminister Milka Planinc, der das Restrukturierungsprogramm ausführen sollte, mußte dem IWF (Internationaler Währungsfonds) sofort erhöhte Schuldentilgungsraten und andere Maßnahmen zur Erfüllung reagonomistischer Forderungen versprechen (...).«

Kurz nach Einsetzen der makroökonomischen Reformen im Jahr 1980 fiel das Wirtschaftswachstum auf 2,8 Prozent in der Zeit von 1980 bis 87, stand in den Jahren 1987 bis 88 bei null Prozent, und fiel im Zeitraum um 1990 auf -10,6 Prozent. Die Wirtschaftsreformen erreichten ihren Höhepunkt unter der US- freundlichen Regierung von Ante Markovic. Im Herbst 1989, kurz vor dem Fall der Berliner Mauer, war der Premierminister nach Washington gereist, um den damaligen Präsidenten George Bush zu treffen.  Ein »Finanzhilfeprogramm« war im Austausch für drastische Wirtschaftsreformen versprochen worden, die die Einführung einer neuen, abgewerteten Währung, ein Einfrieren der Löhne, eine drastische Kürzung der Staatsausgaben und die Abschaffung der selbstverwalteten vergesellschafteten Betriebe vorsahen. Die »Wirtschaftstherapie« (im Januar 1990 zur Wirkung gebracht) trug zur Lähmung des Bundesstaats bei. Steuergelder, die als Ausgleichszahlungen an die Teilrepubliken und die autonomen Provinzen hätten gehen sollen, dienten zur Schuldentilgung bei den Pariser und Londoner Finanzclubs. Die Teilrepubliken wurden sich größtenteils selbst überlassen, wodurch sich der Prozess der politischen Zersplitterung beschleunigte. Im Handstreich hatten die Reformer die Abschaffung der föderalen Finanzstruktur durchgesetzt und dadurch die bundesstaatlichen Institutionen gelähmt. Die vom IWF induzierte Budgetkrise schuf in wirtschaftlicher Hinsicht vollendete Tatsachen, die den Weg für die formale Abspaltung Kroatiens und Sloweniens im Juni 1991 frei machten.
 

Strukturreform von 1989

Das Reformpaket wurde im Januar 1990 mit Hilfe eines IWF- Moratoriums (Stand-By-Arrangement/SBA) und eines Strukturanpassungskredits (Structural Adjustment Loan/SAL II) der Weltbank auf den Weg gebracht. Die Budgeteinschnitte, mit denen die Verwendung von Steuergeldern für den Schuldendienst einherging, erforderten die Einstellung von Ausgleichszahlungen an die Regierungen der Teilrepubliken und der autonomen Provinzen. Dadurch wurden der Prozess der politischen »Balkanisierung« und der Sezessionismus unterstützt. Die serbische Regierung wies Markovics Sparprogramm glatt zurück, was zu einem Spontanstreik von 650 000 Arbeitern gegen die Bundesregierung führte. Die Gewerkschaften waren sich in diesem Kampf einig: Der Arbeiterwiderstand übersprang die ethnischen Barrieren, als Serben, Kroaten, Bosnier und Slowenen gemeinsam mit ihren Kollegen auf die Straße gingen.    

 

Die industrielle Strukturreform, die 1989 ebenfalls von Ante Markovic vorangetrieben wurde, war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg des industriellen Sektors in den Bankrott. 1990 war das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts auf -7,5 Prozent gefallen. 1991 fiel es um weitere 15 Prozent, die industrielle Produktivität sank um 21 Prozent. Die Strukturreform, die von Belgrads Kreditoren diktiert worden war, hatte die Abschaffung der vergesellschafteten Betriebe zum Ziel. Das Unternehmensgesetz von 1989 verlangte die Abschaffung der »Grundstrukturen gemeinschaftlicher Arbeit« (»Basic Organizations of Associated Labour«/BAOL), die eine Form vergesellschafteter Produktionsgemeinschaften unter der Leitung der Betriebsräte darstellten. Das Gesetz schrieb die Verwandlung dieser Strukturen in privatkapitalistische Unternehmen vor, wobei die Betriebsräte durch sogenannte »Sozialkomitees« unter der Kontrolle des Betriebseigners und seiner Kreditoren ersetzt werden sollten. »Das Ziel war eine massive Privatisierung der jugoslawischen Wirtschaft und die Vernichtung des öffentlichen Sektors. Und wer sollte für die Durchsetzung dieser Maßnahmen sorgen? Die kommunistische Parteibürokratie! Namentlich ihr militärischer und geheimdienstlicher Teil wurde gründlich korrumpiert und gewährte daraufhin politische und ökonomische Unterstützung bei der Abschaffung der sozialen Rechte der jugoslawischen Arbeiterschaft«, heißt es in einem Aufsatz von Raph Schoenman in der Zeitschrift The Organizer vom 11. September 1995.

Eine ganze Anzahl neuer Gesetze wurde unter dem Beistand westlicher Rechtsanwälte und Berater hastig verabschiedet. Ein neues Bankengesetz trat in Kraft, das die Liquidation der gemeineigenen Banken vorsah. Über die Hälfte aller jugoslawischen Banken wurde geschlossen, der Schwerpunkt lag eindeutig auf der Schaffung unabhängiger, profitorientierter Institutionen. Schon 1990 war das dreigliedrige Bankensystem, das aus der Nationalbank Jugoslawiens, den acht Nationalbanken der Teilrepubliken und der autonomen Provinzen sowie den kommerziellen Banken bestand, unter der Ägide der Weltbank vernichtet worden. 1990 handelte man einen sogenannten Sektor-Restrukturierungs-Kredit mit der Weltbank aus, der 1991 von der Belgrader Regierung angenommen wurde.

Das Bankrottprogramm

 

Alle Industrieunternehmen waren sorgfältig kategorisiert worden. Unter den IWF/Weltbank-gesponserten Reformen waren die Kredite an den industriellen Sektor eingefroren worden, mit der klaren Perspektive, den Auflösungsprozeß zu beschleunigen. Das »Gesetz zur Regelung der Finanzwirtschaft« von 1989 hatte sogenannte »Abwicklungsmechanismen« geschaffen, die besagten, daß ein Unternehmen im Falle einer 45 Tage andauernden Zahlungsunfähigkeit innerhalb von 15 Tagen eine Einigung mit seinen Kreditoren erreichen mußte. Dies erlaubte den Kreditoren, ihre Kredite routinemäßig als Machtmittel über die zahlungsunfähigen Unternehmen zu mißbrauchen. Das Gesetz verbot Regierungsinterventionen. Wenn keine Übereinkunft erzielt werden konnte, wurde der Konkurs eingeleitet, ohne daß den Arbeitern Übergangsgelder bezahlt wurden.


1989 wurden so, offiziellen Quellen zufolge, 248 Unternehmen in den Bankrott geführt oder aufgelöst, 89 400 Arbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Während der ersten neun Monate von 1990, im unmittelbaren Anschluß an die Installierung der IWF-Programme, gingen weitere 889 Firmen mit einer Gesamtbelegschaft von 525 000 Arbeitern in Konkurs oder wurden liquidiert. Mit anderen Worten: Die gesetzlichen Regelungen führten innerhalb zweier Jahre für über 600 000 Arbeiter zur Arbeitslosigkeit, und das bei einer nur 2,7 Millionen starken industriellen Arbeiterschaft in ganz Jugoslawien. Die höchste Zahl von Bankrotten und neuen Arbeitslosen entfiel auf Serbien, Bosnien, Herzegowina, Makedonien und Kosovo.


Viele vergesellschaftete Betriebe versuchten, den Bankrott zu vermeiden, indem sie keine Löhne zahlten. Eine halbe Million Arbeiter, also ungefähr 20 Prozent der Industriearbeiterschaft, erhielten während der ersten Monate von 1990 keinen Lohn, um die Forderungen der Kreditoren im Rahmen der »Übereinkünfte« zu erfüllen, wie sie das »Gesetz zur Regelung der Finanzwirtschaft« vorsah. Die Reallöhne befanden sich in freiem Fall, Sozialprogramme waren zusammengebrochen, die Konkurswelle in der Industrie hatte zu flächendeckender Arbeitslosigkeit geführt, und all dies verursachte bei der Bevölkerung eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und sozialen Verzweiflung. »Herr Markovic startete seine >gelenkte Privatisierung<. Die Oligarchien der Teilrepubliken, die alle von einer >nationalen Erneuerung< träumten, hatten die Wahl zwischen Krieg und einem echten jugoslawischen gemeinsamen Markt plus Hyperinflation. Sie wählten den Krieg. Dieser Krieg sollte die wahren Ursachen der wirtschaftlichen Katastrophe verbergen.«

(Dimitrije Boarov, »Eine kurze Untersuchung über Anti- Inflationsprogramme«, Vreme-Nachrichtendienst, Nr. 29, 13. April 1992)
 

Das vom IWF unterstützte Reformpaket vom Januar 1990 trug zweifelsohne zu steigenden unternehmerischen Verlusten bei, während es viele der großen Unternehmen der Elektrotechnik, der Petrochemie, des Maschinenbaus und der Chemiebranche in den Ruin trieb. Darüber hinaus provozierte die Deregulierung des Außenhandels im Januar 1990 eine Flut von Warenimporten aus dem Ausland, die weiter dazu beitrug, die einheimische Produktion zu destabilisieren. Diese Importe wurden mit geliehenem Geld finanziert, das der IWF im Rahmen des Gesamtpakets gewährt hatte, und zwar in der Form sogenannter »Schnellkredite«, die vom IWF, der Weltbank und verschiedenen Geberländern zur Unterstützung der ökonomischen Reformen ausgeschüttet wurden. Der Importboom steigerte den Schuldendruck auf Jugoslawien, und der abrupte Anstieg der Zinsen und Einkaufspreise, mit denen die einheimische Industrie konfrontiert war, führten gleichzeitig zum Ausschluß einheimischer Produkte vom innerjugoslawischen Markt.

Überflüssige Arbeitskräfte

Die Situation, die kurz vor der Abspaltung Kroatiens und Sloweniens im Juni 1991 herrschte, und die sich in den Bankrottzahlen für 1989/90 ausdrückt, verdeutlicht die Größenordnung und die Brutalität des industriellen Abbaus. Diese Zahlen allein jedoch geben nur ein unvollständiges Bild, indem sie lediglich die Situation am Beginn des »Bankrottprogramms« verdeutlichen. Dieses Programm hat mit voller Wirkung den ganzen Krieg über angedauert und bestimmt seine Nachwehen. (...)

 

Ähnliche industrielle Restrukturierungsprogramme haben die ausländischen Kreditoren über alle Nachfolgestaaten Jugoslawiens verhängt. Die Weltbank schätzte im September 1990 die Zahl der »Verlust erwirtschaftenden Betriebe« immer noch auf 2 435, bei einer verbliebenen Gesamtzahl von 7 531. In andern Worten, diese 2 435 Firmen, mit einer Gesamtbelegschaft von 1,3 Millionen, wurden als »zahlungsunfähig« kategorisiert und dadurch dem sofortigen Beginn von Konkursverfahren unterworfen. Wenn man bedenkt, daß 600 000 Arbeiter vor September 1990 von bankrotten Firmen bereits entlassen worden waren, bedeuten diese Zahlen, daß 1,9 von insgesamt 2,7 Millionen Arbeitern schlicht und ergreifend für »überflüssig« erklärt wurden. Die »zahlungsunfähigen« Firmen, die sich vor allem in den Bereichen Energie, Schwerindustrie, Metallverarbeitung, Forstwirtschaft und Textilindustrie konzentrierten, gehörten zu den größten Firmen des Landes und repräsentierten im September 1990 49,7 Prozent der gesamten verbliebenen industriellen Arbeiterschaft.

Unter der Verfolgung weitsichtiger strategischer Interessen hatten die Sparmaßnahmen den Weg für die Rekolonisierung des Balkans geebnet. Bei den Mehrparteienwahlen 1990 stand die Wirtschaftspolitik im Zentrum des Interesses, und die separatistischen Allianzen konnten die Kommunisten in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Slowenien besiegen. Nach dem Erdrutschsieg der rechtsgerichteten Demokratischen Union in Kroatien von 1990 unter der Führung von Franjo Tudjman gewann die Abspaltung Kroatiens die Zustimmung des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher, der beinahe täglich mit seinem Kollegen in Zagreb in Verbindung stand (wie Sean Gervasi in seinem Artikel »Deutschland, USA und die Krise in Jugoslawien« in der Zeitschrift Covert Action Quarterly, Nr. 43, Winter1992/93 berichtete). Deutschland unterstützte nicht nur die Abspaltung, es »bestimmte auch das Tempo der internationalen Diplomatie« und drängte seine westlichen Verbündeten zur Anerkennung Sloweniens und Kroatiens«.

 

Der Wiederaufbau nach dem Krieg
 

Die Wirtschaftsreformen, die jetzt den Nachfolgestaaten aufgezwungen werden, sind eine logische Erweiterung und Fortsetzung dessen, was das ehemalige Jugoslawien zu Fall gebracht hat. In den tragischen Nachwehen eines brutalen und sinnlosen Krieges sind die Chancen zum Wiederaufbau der neuerdings unabhängigen Republiken gering. Trotz des weitgehenden Schweigens in der Presse über dieses Thema sind Umschuldungen ein integraler Bestandteil des Friedensprozesses.
Das ehemalige Jugoslawien ist unter der Lupe der ausländischen Kreditoren zerstückelt, und seine Auslandsschulden sind genauestens aufge- und an die verschiedenen Nachfolgestaaten verteilt worden. Die Privatisierungsprogramme, die unter der Ägide der Geberländer installiert worden sind, haben zu noch größerem Wirtschaftsabbau und weiterer Verarmung der Bevölkerung beigetragen.
 

Noch während der Krieg andauerte, traten Kroatien, Slowenien und Mazedonien in unabhängige Kreditverhandlungen mit den Institutionen von Bretton Woods ein. In Kroatien ratifizierte die Regierung 1993 unter Franjo Tudjman ein Abkommen mit dem IWF. Massive Budgetkürzungen, die von diesem Abkommen verlangt wurden, lähmten Kroatiens Anstrengungen zur Stimulierung der eigenen Wirtschaftskräfte und gefährdeten somit den Wiederaufbau nach dem Krieg. Die Kosten zum Wiederaufbau der kriegsgeschüttelten kroatischen Wirtschaft sind auf etwa 23 Milliarden US-Dollar geschätzt worden, weitere Kredite sind unvermeidlich. Ohne Schuldenstreichungen wird die Schuldenlast Zagrebs bis weit ins 21. Jahrhundert immer weiter anwachsen.
 

Als Gegenleistung für ausländische Kredite hat die Regierung Tudjmans Reformen zugestimmt, die zu noch mehr Firmenstillegungen und Konkursen geführt haben, während die Löhne auf ein katastrophal niedriges Niveau gefallen sind. Die offizielle Arbeitslosenrate stieg von 15,5 Prozent (1991) auf 19,1 Prozent 1994.
 

Zagreb hat auch ein weit strengeres Konkursrecht eingeführt, zusammen mit »Entflechtungsverfahren« für große staatseigene Betriebe. In ihrer »Absichtserklärung« an die Bretton-Woods- Institutionen verspricht die kroatische Regierung die Restrukturierung und völlige Privatisierung der Banken, und zwar unter Mithilfe der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Weltbank. Diese Institutionen haben auch einen Umbau des kroatischen Finanzmarkts verlangt, um ihn für westliche Investoren und Finanzspekulanten leichter zugänglich zu machen.
 

Mazedonien ist ähnliche Wege gegangen. Im Dezember 1993 stimmte die Regierung in Skopje einer Senkung der Reallöhne und einer Einfrierung der normalen Kredite zu, um einen Sonderkredit von der »System-Anpassungs-Abteilung« (Systemic Transformation Facility/STF) des IWF zu erhalten. In einer untypischen Wendung beteiligte sich der Multimilliardär George Soros an den Aktivitäten der »internationalen Unterstützergruppe«, die sich hauptsächlich aus der Regierung der Niederlande und der in Basel beheimateten Bank für internationale Schuldentilgung zusammensetzte. Das Geld, das diese Unterstützergruppe zur Verfügung stellte, war aber nicht für den Wiederaufbau bestimmt, sondern für die Rückzahlung von Krediten, die Skopje der Weltbank schuldig war.

Darüber hinaus mußte die Regierung des mazedonischen Premierministers Branko Crvenkovski der Abwicklung der restlichen »Verlustbetriebe« und der Entlassung der »überflüssigen« Arbeiter zustimmen - was für die Hälfte der  Industriearbeiter des Landes die Arbeitslosigkeit bedeutete. Dazu bemerkte der stellvertretende Finanzminister nüchtern, daß es bei astronomischen Profitraten aufgrund der kreditorengesponserten Bankreform schier unmöglich war, einen Betrieb im Land zu finden, der kostendeckend arbeitete. Im allgemeinen bedeutet die Wirtschaftstherapie des IWF für Mazedonien eine Fortführung des Bankrottprogramms, das im ehemaligen Jugoslawien seit 1989 aktiv war. Die Filetstücke der Wirtschaft werden jetzt an der neuen mazedonischen Börse gehandelt, aber diese Verschleuderung vergesellschafteten Eigentums hat zu einem Wirtschaftskollaps und flächendeckender Arbeitslosigkeit geführt.

Und trotz des Wirtschaftsabbaus und der Zerstörung des Schul- und Gesundheitswesens, die das Sparprogramm mit sich gebracht hat, erzählte der Finanzminister der Weltöffentlichkeit stolz, daß »die Weltbank und der IWF Mazedonien in Hinblick auf die gegenwärtigen Wirtschaftsreformen unter die erfolgreichsten Länder zählen«. Der Vorsitzende der IWF-Arbeitsgruppe zu Mazedonien, Paul Thomsen, ergänzte, daß die »Ergebnisse des Stabilisierungsprogramms eindrucksvoll« seien und erwähnte besonders lobend die »effektive Lohnpolitik«, die die Regierung in Skopje in Anwendung bringe.

Der »Wiederaufbau« Bosnien-Herzegowinas

Während das Friedensabkommen schlecht und recht von den Waffen der NATO aufrechterhalten wird, installiert der Westen in Bosnien-Herzegowina ein »Wiederaufbauprogramm«, das das Land seiner wirtschaftlichen und ökonomischen Souveränität vollständig beraubt. Dieses Programm besteht hauptsächlich darin, Bosnien- Herzegowina als ein geteiltes Land weiterzuentwickeln, das unter der militärischen Oberhoheit der NATO steht und vom Westen verwaltet wird.

Gestützt auf das Dayton-Abkommen haben die USA und die Europäische Gemeinschaft eine vollkoloniale Verwaltung in Bosnien installiert. Als ihr Kopf fungiert der Hochkommissar (High Representative/HR), Carl Bildt, ein
ehemaliger Premierminister Schwedens und Vertreter der Europäischen Gemeinschaft bei den Friedensverhandlungen in Bosnien. Der Hochkommissar hat volle Exekutivrechte in allen zivilen Angelegenheiten. Er kann sogar Regierungsentscheidungen sowohl der bosnischen Föderation als auch der bosnisch-serbischen Republika Srpska außer Kraft setzen. Der Hochkommissar handelt in enger Übereinstimmung mit dem IFOR-Generalkommando und den Agenturen der Geberländer.

Eine internationale Polizeitruppe unter der Führung eines Kommandeurs, der vom Generalsekretär der Vereinten Nationen bestimmt wird, setzt sich aus 1700 Polizisten aus fünfzehn Ländern zusammen, von denen die meisten vorher nie auf dem Balkan gewesen sind. Die »Ausbildung« für diese Polizisten besteht aus einem fünf Tage langen Trainingsprogramm in Zagreb, bevor sie stationiert werden.

Weil dem Westen die Demokratie nichts gilt, kann das Parlament Bosniens, das mit der »Verfassung« eingesetzt wurde, völlig zu Recht als Farce angesehen werden. Hinter der demokratischen Fassade liegt die wahre Macht in den Händen einer Schattenregierung, die aus dem Hochkommissar und ausländischen Beratern besteht.

Dazu kommt, daß die Verfassung, die in Dayton ausgearbeitet wurde, die Wirtschaftspolitik völlig den Bretton-Woods- Institutionen und der in London residierenden Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung überantwortet. Artikel VII dieser Verfassung besagt, daß der Präsident der bosnischen Zentralbank vom IWF bestimmt wird und »weder ein Bürger Bosnien-Herzegowinas, noch einer der Nachbaarstaaten« sein darf. Und während der Präsident der Zentralbank vom IWF ausgewählt wird, darf die Zentralbank keine wirkliche Zentralbank sein. »Im Zeitraum der ersten sechs Jahre (...) darf sie keine Kredite mit dem Effekt der Geldschöpfung vergeben. Dadurch fungiert sie nur als einfache Emissionsbank« (Artikel VIII). Und dem neuen »souveränen« Staat wird eine eigene Währung verweigert, indem er dazu verdammt wird, Papiergeld nur dann zu schaffen, wenn es voll durch ausländische Devisen gedeckt ist, was heißt, daß er seine eigenen wirtschaftlichen Ressourcen gar nicht mobilisieren kann. Wie in den anderen Nachfolgestaaten, wird seine Fähigkeit zur Selbstfinanzierung (ohne massive Verschuldung im Ausland) von Anfang an sabotiert.

Das Management der bosnischen Wirtschaft ist mit Bedacht unter den Institutionen der Geberländer aufgeteilt worden: Während die Zentralbank unter IWF-Überwachung steht, kontrolliert die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung die Kommission zur Regulierung der öffentlichen Wirtschaftsunternehmen, die die Geschicke aller staatlichen Unternehmen lenkt, was die Energie- und Wasserwirtschaft ebenso einzieht wie die Post,
die Straßenbauverwaltung, die Eisenbahnen usw. Der Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung bestimmt auch den Vorsitzenden dieser Kommission, die die Restrukturierung des öffentlichen Sektors überwacht, was in diesem Fall nicht viel mehr heißt, als daß staatliches und gesellschaftliches Eigentum zum Vorteil von Langzeit-Investitionsfonds verschleudert werden.

Man kann sich nicht um folgende grundsätzliche Frage herumdrücken: Verdient die bosnische Verfassung, wie sie von den Staatschefs in Dayton vereinbart wurde, überhaupt ihren Namen? Ein ernster und gefährlicher Präzedenzfall ist in der Geschichte der internationalen Beziehungen geschaffen worden: Westliche Kreditoren haben ihre Interessen in eine »Verfassung« eingebettet, die hastig zu ihrem Vorteil geschrieben wurde; wichtige Posten des bosnischen Staats werden standardmäßig von Nicht-Bosniern besetzt, die Angestellte von westlichen Finanzorganisationen sind. Keine verfassunggebende Versammlung, keine Beratungen mit Bürgerorganisationen in Bosnien-Herzegowina, keine »verfassungsrechtlichen Zusätze« nach amerikanischem Vorbild, die bürgerliche Grundrechte verbriefen, nichts ...

Die bosnische Regierung schätzt, daß der Wiederaufbau 47 Milliarden US-Dollar kosten wird. Westliche Geberländer haben drei Milliarden an Wiederaufbaukrediten versprochen, aber nur magere 518 Millionen Dollar wurden im Dezember 1995 gewährt, von denen, dem Dayton-Abkommen gemäß, ein Teil für die zivilen Kosten der IFOR-Truppenstationierung bestimmt ist, und ein anderer Teil für die Rückzahlung von Schulden an internationale Kreditoren. In einem schon zum Standard gewordenen Verfahren sind »neue Kredite« gewährt worden, um alte Schulden zurückzuzahlen. Die Zentralbank der Niederlande hat zum Beispiel großzügigerweise eine Summe von 37 Millionen Dollar als »Überbrückungskredit« gewährt. Aber der Kredit ist zweckbestimmt: Er soll Bosnien in die Lage versetzen, alte Schulden an den IWF zurückzuzahlen. Ansonsten möchte der IWF Bosnien nämlich kein Geld mehr leihen. Und der nächste Schritt in dieser absurden Spirale: Der angeforderte Kredit vom »Notfonds« des IWF für sogenannte »Nachkriegsgesellschaften« wird überhaupt nicht in den Wiederaufbau fließen, sondern dazu dienen, den Kredit aus den Niederlanden zurückzuzahlen, der doch dazu diente, alte Schulden mit dem IWF zu begleichen! Auf diese Weise schraubt sich die Schuldenspirale in die Höhe, während überhaupt keine realen finanziellen Ressourcen für den Wiederaufbau verwendet werden.

Die Ölmultis haben ein Auge auf Bosnien

Die Regierungen und Konzerne des Westens haben weit mehr Interesse am Zugang zu potentiell strategischen Bodenschätzen als an der Gewährung von Wiederaufbauhilfen für Bosnien. Dokumente in den Händen der kroatischen und bosnischen Serben lassen vermuten, daß Kohle- und Ölvorkommen auf der Ostseite des Dinarischen Gebirges gefunden worden sind, ein Gebiet, das den bosnischen Serben in der Kraijna durch die letzte Offensive der kroatischen Armee gerade rechtzeitig vor dem Dayton- Abkommen wieder abgenommen wurde.


Bosnische Regierungsvertreter berichten, daß der in Chicago ansässige Amoco-Konzern einer von verschiedenen ausländischen Konzernen war, die daraufhin Probebohrungen in Bosnien veranstalteten. Darüber hinaus finden sich »beträchtliche Ölvorkommen in den serbisch besetzten Gebieten Kroatiens, und zwar an der Save, Tuzla direkt gegenüber.« (Die Weltbank, Bericht über die Entwicklung der Weltwirtschaft 1991, Statistischer Anhang, Tabellen 1 und 2, Washington DC, 1991) Dem Dayton-Abkommen zufolge ist dieses Gebiet der militärischen Oberhoheit der Amerikaner unterstellt, die ihr Hauptquartier in Tuzla haben.

Die territoriale Aufteilung Bosniens zwischen der bosnisch- kroatischen Föderation und der serbisch-bosnischen Republika Srpska, die das Dayton-Abkommen verlangt, enthüllt auf diese Weise ihre strategische Bedeutung. Die 60 000 Mann starken NATO-Truppen, die angeblich den »Friedensprozeß« sichern, sichern in Wahrheit die Zerstückelung Bosnien-Herzegowinas zum Vorteil westlicher Wirtschaftsinteressen.

Da dem Land nationale Souveränität vollkommen fehlt, wird seine Zukunft viel eher in Washington, Bonn und Brüssel gemacht als in Sarajevo, und der Prozeß eines sogenannten »Wiederaufbaus«, der sich auf fortgesetzte Umschuldung stützt, wird sowohl Bosnien-Herzegowina als auch die anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien auf dem Niveau der Dritten Welt festhalten.

Während lokale Machthaber und die Westmächte die Filetstücke der ehemaligen jugoslawischen Wirtschaft untereinander aufteilen, dient die Zersplitterung des Staatsgebiets und die Verewigung sozialer und ethnischer Spaltungen.